

Das stumme Haus Wenn eine Pandemie alles verändert
Zu Hause bei Nikosch geht es zu wie in einem Wimmelbuch. In dem großen Mehrfamilienhaus kennt jeder jeden. Türen und Ohren sind füreinander immer offen, die Kinder spielen und lernen zusammen. Doch dann ist mit einem Schlag alles anders. Die Türen bleiben geschlossen, die Menschen drinnen und dort, wo sonst das Leben tobt, kehrt Stille ein. Ohne Freunde und ohne Schule ist es unglaublich langweilig – und anstrengend. Wohin nur mit der ganzen Zeit? Nikosch und seine Schwester Nini verbringen die Tage damit, aus dem Fenster zu schauen. Da ist die Baustelle auf der anderen Straßenseite und im Haus daneben sind neue Leute eingezogen. Eines Abends beobachten sie, wie jemand mit einer Taschenlampe durch die Dunkelheit leuchtet. Macht sich dort etwa ein Einbrecher zu schaffen? Oder ist das ein SOS-Signal? Nikosch und Nini müssen unbedingt herausfinden, was da los ist – vielleicht braucht wirklich jemand Hilfe. Aber wie, wenn man Zuhause eingesperrt ist?
Bevor alles begann
Nikosch wohnt mit seinen zwei Schwestern und den Eltern im Kaninchenbau. Natürlich nicht in einem echten. Der Kaninchenbau ist ein ganz normales, fünfstöckiges Haus, aber weil hier so viele Leute leben, dass man schon mal den Überblick verlieren kann, wird es von allen so genannt. Die Kaninchenbau-Bewohner leben gern hier. Sie sind nicht einfach nur Nachbarn, sondern Freunde. Hier findet sich immer eine helfende Hand. Es werden viele Sprachen gesprochen und meistens geht es laut zu. Denn für viele Familien sind die Wohnungen zu klein und deswegen stehen oft ein paar Türen offen. Irgendwer sitzt dann auf den Stufen oder im Hinterhof und telefoniert oder unterhält sich. Selbst dieser grummelige Herr Friedrich, den keiner so recht leiden kann, gehört irgendwie dazu. Nur mit dem unheimlichen Ralf stimmt etwas nicht, darin sind sich Nikosch und Nini einig. Der Tag, an dem alles anfängt, beginnt eigentlich ganz normal. Die Luft riecht wie immer nach Essen, Opa Steins Parfüm, verschwitzten Turnschuhen und auch ein wenig nach Kuchen und nassem Hund. Nur dass die alte Frau Kirchner morgens nicht wie sonst die Tür öffnet, um den Kindern einen guten Morgen zu wünschen, kommt Nikosch seltsam vor. Noch merkwürdiger ist aber, dass sein sonst so überpünktlicher Lehrer zum Unterrichtsbeginn nicht da ist. Statt dessen kommt Frau Niemann, die Vertretungslehrerin. Sie wirkt nachdenklich und benimmt sich recht komisch, wie sie da am geöffneten Fenster steht und frische Luft in den Klassenraum fächelt. Am Nachmittag treffen sich alle Erwachsenen, die gerade nicht bei der Arbeit sind, im Treppenhaus. Das ist so weit nicht ungewöhnlich – aber keiner lacht, alle sehen ernst aus und später vergisst Mama ganz, die Hausaufgaben zu kontrollieren. Der nächste Schultag ist kurz. Frau Niemann stellt einen neuen Schüler vor und verliest dann einen Brief und dann – ist schulfrei. Wie genial ist das denn?! Keine Schule für die ganze nächste Woche und für die übernächste auch nicht. Und dann wird man sehen. Das hat wohl was mit der Sache zu tun, die gestern in den Nachrichten kam. Super, denkt Nikosch, dann können sie ja alle heimlich auf der Baustelle gegenüber spielen und die Banden aus den Nachbarhäusern ausspionieren.
Die Ferien und die Ewigkeit
Nikosch und Ajas schmieden Pläne für die unerwarteten Ferien; zusammen würden sie was Cooles unternehmen. Nur am selben Abend macht die Nachrichtenfrau den beiden einen Strich durch die Rechnung. Ein einziges Wort braucht sie dafür: Verbot. Mit diesem Wort verriegelt sie alle Türen und lässt den Ferien die Luft raus. Dieses Wort macht Kontakte unmöglich und wird oft in einem Atemzug mit Wörtern wie „Hygiene“ oder „Konzept“ benutzt. Mama und Nikoschs große Schwester dürfen zwar noch arbeiten gehen, aber Nikosch, Nini und Papa müssen zu Hause bleiben – wie so viele andere im Kaninchenbau. Da ist es jetzt ganz still geworden und mit einem Mal stecken sie alle fest, in der zähen Ewigkeit der Tage. Die Stille wird nur abends unterbrochen, wenn die Nachrichtenfrau erzählt, was man darf und was nicht. Während Papa beginnt, Sachen kaputt zu reparieren, blättert Nikosch in seinen Comics und Nini verbringt die Tage damit, aus dem Fenster zu sehen. Eines Abends sieht sie auf der gegenüberliegenden Baustelle ein Licht, das sich von Raum zu Raum bewegt. Kurz darauf schleppt eine dunkel gekleidete Gestalt eine schwere Tasche aus dem Haus. Mit dieser Beobachtung kommt wieder Tatendrang in die beiden Kinder. Was auch immer da drüben vor sich geht – das müssen sie im Auge behalten! Nikosch erinnert sich an die alten Walkie-Talkies, die noch im Keller liegen. So können sie gemeinsam mit ihren Freunden der Sache auf den Grund gehen. Als er sich runterschleicht, beobachtet er den unheimlichen Ralf, der sich an einem der Kellerräume zu schaffen macht. Der hat doch tatsächlich die gleiche Kleidung an, wie der Typ von letzter Nacht! Hat er etwa auf der Baustelle eingebrochen? Und was hat es mit dem SOS-Signal aus dem Haus daneben auf sich? Durch Kreativität und Fantasie finden Nikosch und Nini einen Weg aus der Ewigkeit und bringen bei der Gelegenheit wieder Leben in die Hausgemeinschaft.
Wie Nikosch lebt – und viele andere auch
Nikosch erzählt die Erlebnisse aus der Ich-Perspektive. Durch diesen Blickwinkel und durch seine lebhaften Schilderungen können sich die Leser den Trubel im Kaninchenbau gut vorstellen. Man bekommt direkt das Gefühl, dabei zu sein. Gleichzeitig erhält man einen realistischen Eindruck davon, wie das Leben in einem Mehrfamilienhaus aussieht, in dem die verschiedensten Nationen und Generationen leben. Allein schon unter diesem Aspekt ist „Das stumme Haus“ ein hochaktuelles Kinderbuch. Aber es ist nicht immer einfach im Kaninchenbau. Mit ihrer Geschichte öffnet die Autorin Uticha Marmon den Blick dafür, wie der Alltag für manche aussieht – selbst, wenn alles normal läuft. Sie macht auf die soziale Ungleichheit aufmerksam und zeigt zum Beispiel, was es bedeutet, wenn der Tafelladen aufgrund der Pandemie schließt. Marmon macht Kindern, die unter solchen Umständen leben, Mut und zeigt ihnen, dass sie bemerkt werden. Lesern, die mit diesen Problemen nicht konfrontiert sind, gibt sie einen Einblick in diese Lebenssituation. Das baut Vorurteile ab und lässt einen nachdenklich zurück. Der Schreibstil von Marmon ist leicht verständlich, humorvoll und vor allem empathisch. Als Leser fühlt man nicht nur mit, man fühlt sich verstanden. Denn so oder ähnlich hat man es ja selbst erlebt. Vielleicht kann das Buch auf diese Weise sogar ein bisschen dabei helfen, diese Zeit zu verarbeiten.
Mit Zusammenhalt durch Krisenzeiten
Das Hauptthema des Buches sind die Auswirkungen des Lockdowns und die Sicht darauf aus Kinderaugen. Eindringlich schildert Marmon, wie es für Kinder ist, sich nicht mehr treffen und zusammen spielen zu können. Dabei spricht sie aber auch Erwachsenen aus dem Herzen. Sie schildert den Stillstand, der mit der Pandemie hereinbrach und die Überforderung, die dann folgte. So beschreibt Nikosch, wie nach der Stille der Lärm kommt und es manchen Tagen sogar zu laut ist, um aus dem Fenster zu gucken. Er stellt fest, dass das „Zuhausebleiben eine Lupe für Dinge ist, die schon vorher da waren. Man hat sie nur übersehen, weil man so abgelenkt war.“ „Das stumme Haus“ erzählt von zwischenmenschlichen, beruflichen und finanziellen Konflikten. Es fehlt an Platz, um mal für sich sein zu können, an technischen Geräten fürs Home-Schooling und an Geld, weil der Arbeitsplatz wegfällt. Die Kinder leiden unter der Einsamkeit, es fehlt das Spielen draußen und drinnen hockt man zu sehr aufeinander. Allem Ernst zum Trotz hinterlässt Marmons Buch ein gutes Gefühl. Denn es geht auch darum, wie wichtig gute Freunde sind und wie Menschen sich verändern können. Auf Zusammenhalt kommt es an und wenn nichts mehr geht, ist Kreativität gefragt. Gerade in schwierigen Zeiten ist es wichtig, füreinander da zu sein und sich nicht aus den Augen zu verlieren. Wer anderen hilft, tut nebenbei sich selbst etwas Gutes. Es holt einen aus seinem Schneckenhaus. Auch die großen Leser können von Nikosch und seinen Freunden noch was lernen oder sich von deren Energie anstecken lassen. All diese Emotionen und Gedanken packt Uticha Marmon in eine witzige, spannende Geschichte. Die macht Spaß und lässt einen das wertschätzen, was man hat.
Schreibend durch die Pandemie
Uticha Marmon studierte in Wien, Mainz und an der Bayrischen Theaterakademie Vergleichende Literaturwissenschaft, Dramaturgie und Pädagogik. Neben dem Studium standen dramaturgische Arbeiten für die freien Theaterszenen in Wien und München auf der Tagesordnung. Zwei Jahre lang arbeitete Marmon dann am Münchner Theater und anschließend einige Jahre bei einem Hamburger Hörbuchverlag. Sie lebt in Hamburg und arbeitet als freiberufliche Lektorin und Autorin für Kinder- und Jugendbücher. Zudem engagiert sie sich in der Leseförderung. Für „Das stumme Haus“ erhielt Marmon 2020 den Hamburger Literaturpreis. Als sie diese Geschichte schrieb, herrschte bereits zwei Wochen der Lockdown. Die Pandemie hat ihr gezeigt, dass es nicht immer einfach ist, das Richtige zu tun. Deswegen ermutigt sie mit ihrem Buch dazu, aufeinander achtzugeben. So wie die Kaninchen.

Fakten zum Buch
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