

Ein Sommer in Sommerby Das Feel good-Buch für alle
Martha, Mikkel und Mats müssen ans Ende der Welt – und das liegt an der Ostsee, genauer gesagt in Sommerby. Dort wohnt ganz abgelegen auf einer Landzunge die Oma der drei Geschwister. Diese Oma ist ein wenig seltsam: Sie lebt wie ein Einsiedler, ohne Telefon, Internet oder Fernseher, verkauft selbstgemachte Marmelade und hat sich mit den anderen Dorfbewohnern verkracht. Wenn Inge mal zum Einkaufen muss, fährt sie mit ihrem kleinen Boot zum Festland und unerwünschten Besuchern droht sie schon mal mit der Flinte. Doch entgegen allen Erwartungen wird es richtig schön bei der Oma. Allerdings ist da dieser schnöselige, fiese Geschäftsmann, der immer wieder bei ihr auftaucht und das ganze Sommerglück gefährdet. Jetzt kommt es darauf an, dass sie alle zusammenhalten.

Wie alles anfängt
Manchmal beginnen großartige Dinge mit einem schlimmen Ereignis. So ist es auch bei Martha, Mikkel und Mats. Die Nachricht, dass Mama auf einer Geschäftsreise einen Unfall hatte und nun im Krankenhaus liegt, versetzt ihnen einen ziemlichen Schrecken. Noch am selben Abend fliegt Papa zu ihr nach New York. Für die drei Geschwister bedeutet das, die Ferien vorerst bei der Oma zu verbringen. Der kleine Mats ist ganz empört: Was soll er denn bei einer Oma, die er gar nicht kennt? Und auch Mikkel und Martha sind nicht sonderlich begeistert. Außerdem machen sie sich Sorgen um Mama, aber es nützt ja nichts.

Am nächsten Tag bringt Mamas Freundin die drei nach Sommerby zu Oma Inge. Sommerby ist ein schönes, aber klitzekleines Dorf an der Ostsee mit schmalen Straßen, Reetdach-Häusern und knorrigen Obstbäumen. Aber dann ist die Straße plötzlich zu Ende. Das Navi hat sie zu einem Zaun geführt, doch außer einer Weide mit ein paar Kühen ist hier nichts weiter. Kurz entschlossen stapfen sie alle über die Weide und damit auch ein bisschen ins Ungewisse.
Bei der Oma
Während Martha sich noch an ein paar Besuche als kleines Kind bei der Oma erinnern kann, kennen ihre beiden Brüder sie gar nicht. Vielleicht rechnet gerade deswegen niemand von ihnen damit, so empfangen zu werden: Vor ihnen steht eine alte Frau in Gummistiefeln, dazu trägt sie eine fleckige Jeans – und ein Luftgewehr unter dem Arm. Unwirsch und mit rauchiger Stimme fordert sie die Eindringlinge auf, sofort das Grundstück zu verlassen. Da sind sich Martha und Mamas Freundin nicht mehr so sicher, ob die Idee hier herzukommen so gut war. Scheinbar hat die Oma nicht so große Lust auf ihre Enkel. Aber dann bleiben sie doch. Schließlich gibt es keine Alternativen und es ist ja auch nicht für lange. Und eigentlich ist es schon ganz nett hier, inmitten von soviel Natur und direkt am Wasser, bis Martha entsetzt feststellt: Die Oma hat kein WLAN, kein Telefon, kein gar nichts und Netz gibt es hier auch keins. Wie kann man nur so leben? Das ist ja wie im Mittelmalter!

Der Duft von Marmelade und ein paar Geheimnisse
Auch sonst ist die Oma recht speziell. Sie erwartet, dass die Kinder mithelfen: Martha muss Kartoffeln pellen, Mikkel Eier sammeln und nach dem Essen müssen alle drei Geschirr abtrocknen – sogar der kleine Mats. Martha findet, dass es wirklich kein gutes Benehmen ist, Gästen Sklavenarbeit aufzubürden. Generell scheint Oma Inge nicht sonderlich Ahnung von Kindern zu haben. Sie ruft ihnen bloß von der Treppe aus Gute Nacht zu, lässt Mats unbeaufsichtigt am Wasser spielen und kocht jeden Abend nur Kohlehydrate (Tofu-Aufstrich hat sie übrigens auch nicht). Wenn Mama von so machen Dingen hier wüsste, wäre sie bestimmt der Ohnmacht nahe. Und doch fallen die drei Kinder jeden Abend glücklich auf ihre Matratzen; sie haben hier nämlich trotzdem einen Riesenspaß. Es ist herrlich, in Omas Garten zu toben, Obst von den Sträuchern zu pflücken, die Gänse zu füttern und mit dem Boot zu fahren. Und immer weht der Duft von selbstgemachter Marmelade durch das Haus.

Das Glück trübt sich jedoch, als eine Reihe merkwürdiger Ereignisse auftritt: Irgendjemand bricht in Omas Schuppen ein und verwüstet alles. Dann verschwindet Mats Lieblingsstofftier und fast jeden Tag taucht dieser merkwürdige Makler auf, der unbedingt Omas Haus kaufen will. Abgesehen davon, muss Martha noch die Geheimnisse lüften, warum die Eltern und Oma seit Jahren nicht miteinander reden und warum alle anderen in Sommerby ebenfalls nicht so gut auf sie zu sprechen sind.
Boies charakterstarkes Buch
Die Protagonisten aus Sommerby sind allesamt sehr starke, liebenswerte und authentische Charaktere. Immer wieder steht eines der drei Kinder im Vordergrund. Das macht die Geschichte abwechslungsreich und lebendig und lässt den Leser die Dinge mehr aus der Sicht des jeweiligen Kindes sehen. Martha steht mit ihren zwölf Jahren irgendwo zwischen Kind sein und Erwachsen werden. So ist sie oft noch etwas naiv, übernimmt aber auch die Verantwortung, sich um ihre beiden Brüder zu kümmern. Kirsten Boie beschreibt ansprechend, wie dieser Veränderungsprozess in einem jungen Jugendlichen aussehen kann: Man macht sich so seine Gedanken, hat Sorgen und steht Herausforderungen gegenüber, aber dann kommt man damit klar und wächst daran. Und wenn Martha ihre Erlebnisse in Sommerby mit dem Traumurlaub ihrer Freundin vergleicht oder sie sich zum ersten Mal verliebt, weiß man als Leser genau, wie das ist. Der kleine Mats bringt die herzerfrischende Ehrlichkeit eines Vierjährigen in die Geschichte. Er plappert Dinge wieder, die er irgendwo aufgeschnappt hat, und die sind manchmal niedlich, aber nicht unbedingt immer wohlklingend (vor allem dann nicht, wenn er so richtig wütend ist). Doch auch das ist aus dem Leben gegriffen und hinterlässt ab und an ein Schmunzeln auf den Lippen des Lesers.

Mikkel hingegen ist eher ein ruhigerer Vertreter und steht oft nicht so im Vordergrund, wie seine Geschwister. Er ist ein nachdenklicher siebenjähriger, der möchte, dass es allen gut geht. Deswegen macht es ihn traurig, wenn Tiere sterben oder es Streit gibt. Auch diesen leisen, sensiblen Charakter eines Kindes hat Boie feinfühlig herausgearbeitet. Eine kantige wie von Herzen gute Person ist die Oma der drei. Inges raubeinige Art kommt auch in ihrer Ausdrucksweise zum Tragen. Das wirkt manchmal vielleicht etwas derbe, aber anders würde es auch nicht passen. Wer auf sich allein gestellt lebt, mit dem Hauch der rauen See, redet nicht durch die Blume und schon gar nicht groß drum herum. Demnach überschüttet Inge ihre Enkel nicht mit Lob, ist eher mal schroff und fordernd und sowieso der komplette Gegensatz zu allen Helikopter-Eltern. Letzten Endes ist es genau das, was den Kindern guttut. Oma Inge traut ihnen etwas zu und dadurch bekommen sie mehr Selbstbewusstsein. Sie dürfen ihre eigenen Erfahrungen machen und lernen durch die Aufgaben, die Inge ihnen überträgt, Verantwortung zu übernehmen, aber sie dürfen auch einfach nur Kind sein. Sympathisch ist zudem, dass die Oma oft mal gar nichts sagt. Das wütende Geschimpfe eines Vierjährigen nimmt sie genauso kommentarlos und gelassen hin, wie eine pitschnasse Martha, die das ganze Haus voll tropft. Vielleicht können Eltern von Inge noch die eine oder andere Anregung mitnehmen.
Sommergeschichte mit Tiefgang
Kirsten Boie ist es gelungen, in Sommerby eine ganz warme, besondere Atmosphäre zu schaffen. Das liegt nicht zuletzt an ihrer flüssigen, liebevollen Art zu schreiben. Ihre Bildsprache ist so ausdrucksstark, dass des Lesers Kopfkino keine Wünsche offen lässt. Das schöne Cover und die Vignetten über jedem Kapitel stammen von der Illustratorin Verena Körting. Sie zeichnet so warmherzig wie Boie schreibt und weil beides so gut ineinander spielt, könnte man Sommerby beinahe für einen realen Ort halten. Unterschwellig spricht Boie viele nachdenklich stimmende Themen an. Sie schreibt über die Existenz mit einem kleinen Einkommen und dass es manchmal dazu gehört, dafür auch ein Tier zu schlachten. Aber sie zeigt vor allem, dass Geld nicht alles ist, worauf es ankommt. Die kleinen Dinge sind es, die das Leben glücklich machen. Ein einfaches Leben kann abenteuerlicher sein, als man denkt. Für Kinder ist dabei noch wichtig, dass man ihnen ihre Freiheiten zugesteht und ihnen etwas zutraut. Des Weiteren spricht Boie an, wie frei es macht, von der Technik losgelöst zu sein und dass Vergleiche auf Social Media nicht unbedingt guttun. Mit einem liebevollen Augenzwinkern greift Boie das Landleben als Lifestyle auf. Das äußert sich in den Vergleichen, die Martha zieht: Während die Oma in ihren Augen einen liederlichen Haushalt hat, ist im Landhaus ihrer Freundin alles weiß und aus Emaille. Wenn Mikkel Eier sammelt, finden diese sich dreckig in einem ollen, ausgedienten Kartoffelsalat-Eimer wieder und nicht strahlend weiß oder braun in einem hübschen, geflochtenem Korb, wie sie es aus Mamas Zeitschriften kennt. Humorvolle Kleinigkeiten wie diese machen die heile Welt in Sommerby zu einer sympathisch- unperfekten. In einer modernen Art erzählt Boie von etwas Ruhigem und schenkt uns beim Lesen schon ganz viel Entschleunigung und Hygge. Es wäre herrlich, wenn wir das Handy ausschalten und tatsächlich für ein paar Tage zu Inge fahren könnten. Vorerst aber haben wir drei Dinge gelernt:
- In Geschichten wird immer alles gut und manchmal sind sie trotzdem wie das echte Leben.
- Wir sollten öfter barfuß laufen.
- Kohlehydrate sind lecker.
Ein ausgezeichneter Glücksfall
Der NDR bezeichnet Kirsten Boie als einen Glücksfall für die deutsche Kinderbuch-Literatur. Dem können wir nur zustimmen. Boie zählt zu Deutschlands renommiertesten Kinder- und Jugendbuchautorinnen. Geboren ist sie 1950 in Hamburg. Sie ist ausgebildete Lehrerin und promovierte Literaturwissenschaftlerin. Ihr erstes Buch „Paule ist ein Glücksgriff“ erschien 1985. Inzwischen hat sie für alle Altersgruppen Kinderbuchfiguren zum Liebhaben erschaffen, zum Beispiel „Der kleine Ritter Trenk“, „Wir Kinder aus dem Möwenweg“ und „Thabo“. Boies Werke werden in viele Sprachen übersetzt, einige sind mittlerweile verfilmt worden. Mit viel Einsatz engagiert Boie sich für die Leseförderung und ist als Botschafterin für das Goethe-Institut im Ausland tätig. 2007 wurde Boie für ihr Gesamtwerk mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises ausgezeichnet und 2011 erhielt sie vom Bundespräsidenten das Verdienstkreuz.

Fakten zum Buch
Im Handel erhältlich
Bücher Updates Erhalte regelmäßige Updates in dein E-Mail Postfach
Hole dir Bücher-Neuheiten direkt in dein E-Mail Postfach und verpasse nie wieder dein Lieblingsbuch.
Zum NewsletterEntdecke mehr aus der Reihe Für unendlichen Lesespaß
Weitere Empfehlungen Diese Bücher könnten Dir auch gefallen
Hinweis: Bei dem Text handelt es sich um unbezahlte Werbung. Wir finden das Thema einfach gut und schreiben darüber. Erwerbt die Produkte bitte nach eigenem Ermessen.
Falls du das Produkt auch gut findest, kannst du es über unsere Links zu u.a. Thalia, Hugendubel und Amazon erwerben. Dabei handelt es sich um Affiliate-Links. Wir bekommen einen kleinen Betrag vom Shop. Du bezahlt nichts drauf, sondern bezahlst nur die im Shop angegebenen Konditionen.
Fuento ist werbefrei. Unterstütze Inhalte und erwerbe die Produkte über Fuento.